Was kommt auf den Tourismus zu?

Die Sommerferien stehen vor der Tür, doch in diesem Jahr ist alles ein wenig anders – auch in der Ferienwelt Winterberg. Die Buchungslage ist verhalten, der Mund-Nase-Schutz wird das neue Urlaubs-Accessoire der Saison und Schichtbetrieb beim Essen gibt es nicht mehr nur auf dem Kreuzfahrtschiff. Wie steht es um den Tourismus in und um Winterberg? Welche Hürden gilt es zu überwinden und welche Chancen nehmen wir aus dieser Zeit mit?

Michael Beckmann, Geschäftsführer der Winterberger Touristik und Wirtschaft hat mit uns über die touristische und wirtschaftliche Entwicklung Winterbergs gesprochen.

Verhaltener Start nach den Lockerungen

Übernachtungsbetriebe, Gastronomie, Einzelhandel, Freizeitangebote – wo sonst ein Zahnrad ins Nächste griff, hakt es hier und da. Der Tourismus in der Ferienregion Winterberg läuft wieder an, doch oft sind die potenziellen Gäste hier wie auch anderswo verunsichert. „Tagestouristisch funktioniert Winterberg ausgezeichnet, selbst unter der Woche“, erzählt Michael Beckmann.

Umso wichtiger sei es, auch den Übernachtungsgästen Sicherheit zu geben – in finanzieller wie gesundheitlicher Sicht. Die neue Aktion „Flexibel buchen – 0 % Stornokosten – 100 % Sicherheit“ soll helfen, die Buchungslage anzukurbeln. Über 60 Betriebe in der Region nehmen daran bereits teil. Außerdem wird daran gearbeitet, Hygienestandards nicht nur zu erfüllen, sondern zu übertreffen. Michael Beckmann ist es wichtig, dass die Sorgen der Gäste erkannt und ernst genommen werden. „Der Gast soll wissen, wenn er Winterberg bucht, bekommt er Sicherheit“, erklärt er.

Wohnen wo andere Urlaub machen

Obwohl der Tourismus verhalten anläuft, ist viel los auf den Wanderwegen und Radstrecken um Winterberg. Die weitläufige Natur genießen, einfach aufs Bike steigen und los radeln – momentan entdecken viele Sauerländer die Heimat vor der Haustür neu für sich. Das sieht auch Michael Beckmann. „Viele der Tagesgäste, die Winterberg aktuell besuchen, kommen aus der Region“, erzählt er. Und das nicht ohne Grund.

Fast alle Einrichtungen sind wieder geöffnet, lediglich auf Indoor-Angebote wie beispielsweise Kinderspielländer müssen die Besucher aktuell verzichten, da die Einhaltung der Hygienestandards dort schwierig ist. Das gute Wetter lockt die Sauerländer jedoch sowieso verstärkt nach draußen. „Einheimische fragen aktuell vor allem Wander- und E-Bike-Strecken   an“, erzählt Michael Beckmann. Diese wird auch er in diesem Sommer beim Urlaub in der Heimat erkunden, da der geplante Mountainbike-Urlaub abgesagt werden musste.

Die richtigen Weichen wurden früh gestellt

Dass sich der Tourismus in und um Winterberg in den letzten Jahren noch stärker auf die Themen Aktivurlaub und Familienurlaub fokussiert hat, sieht Michael Beckmann gerade jetzt als klaren Vorteil für die Region. Outdoorsportarten erleben einen regelrechten Boom und durch die Kontaktbeschränkungen bewegen sich die Menschen eher innerhalb des Familienkreises. Allein ein Blick auf den Erlebnisberg Kappe zeigt, dass Winterberg damit auch aktuell ein top Ausflugsziel für Sportbegeisterte und Familien ist. Dass sich die Bemühungen der letzten Jahre gerade in der jetzigen Situation bezahlt machen und der Winterberger Tourismus nicht komplett umdenken muss, freut Michael Beckmann.

 „Die Konzepte, die wir fahren, tragen auch in der Zukunft Früchte – dessen bin ich mir sicher“, verrät er. 
Der massive Andrang bei den Outdoorangeboten bringt jedoch neue Herausforderungen mit sich, die bewältigt werden wollen. Wie können Besucherströme und der Verkehr so gelenkt oder entzerrt werden, dass es nicht zu Massenansammlungen an Hot Spots kommt? Gerade an den Feiertagswochenenden war das eine Herausforderung. „Ein großer Dank gilt den Kollegen vom Ordnungsamt Winterberg, die gerade auch an Pfingsten, wo viel los war, versucht haben die Besucherströme zu lenken.“

Ungleichgewicht der Branchen

Während die Outdoor-Angebote boomen, geht es im Einzelhandel verhaltener zu. Woran das liegt? „Shopping ist mit Erlebnis und Atmosphäre verbunden“, erklärt Michael Beckmann. Mit Maske und Abstandsregeln ist es nicht das Kauferlebnis, das man sich wünscht – oder gewohnt ist. Noch dazu kommt, dass in diesem Sommer viele Anlässe zum Shoppen fehlen. Michael Beckmann bewundert den Zusammenhalt, der dennoch stattfindet. Gerade die Einheimischen seinen momentan sehr bemüht, den lokalen Einzelhandel zu unterstützen.

Genau dieser Zusammenhalt ist auch unter den Branchen wichtig. Deshalb sitzen in einer Unternehmerrunde wöchentlich Vertreter unterschiedlichster Branchen zusammen. Wie ist die Entwicklung? Was kann man besser machen? Wo können wir helfen? „Es wurde zum Beispiel überlegt, wie man dem medizinischen Fachpersonal helfen kann und ob jemand an Schutzausstattung kommt“, erzählt Michael Beckmann.

Ein Blick auf den Winter

Der Sommer hat gerade erst so richtig begonnen, doch der Blick der Winterberger Touristik ist bereits mit einem Auge auf den Winter gerichtet. „Wir sitzen bereits seit Mitte Mai mit den Skigebieten zusammen und überlegen, wie ein Winterbetrieb unter diesen Bedingungen aussehen kann“, verrät Michael Beckmann. Wie können die Kapazitäten in den Liften aussehen? Reicht es als hygienischer Schutz, wenn man einen Helm trägt? Auch hier muss sich die Touristik neuen Fragen und Herausforderungen stellen. Wie der Skiwinter in diesem Jahr aussehen wird und ob Après-Ski möglich ist, bleibt laut Michael Beckmann zunächst noch abzuwarten.

Herausforderungen für die Winterberger Touristik

Nicht nur die Übernachtungsbetriebe, Einzelhandel und Co. mussten in den letzten Wochen ungewohnte und steinige Wege gehen. Auch die Winterberger Touristik sah sich dem Thema Kurzarbeit gegenüber, während sie gleichzeitig das Arbeitsvolumen vor große Herausforderungen stellt. Michael Beckmann ist dankbar, dass es trotzdem funktioniert. „Alle Kollegen arbeiten so weit es geht kräftig mit“, lobt er. „Das klappt ausgezeichnet.“ Dennoch musste viel zurückgefahren werden. Michael Beckmann hofft, dass das Land NRW im Bereich Marketing Unterstützung leisten wird. „Wir sitzen mit dem Sauerland Tourismus in einer Runde mit dem Wirtschaftsministerium. Das, was da gerade verabredet wird, klingt gut.“ Das Wichtigste für ihn ist: Die Hilfe muss auch in den Betrieben ankommen. „Das muss das Ziel sein“, erklärt Michael Beckmann.

Beeindruckender Zusammenhalt

In so engem Kontakt mit den Betrieben der Stadt Winterberg zu stehen, hat Michael Beckmann über die letzten Monate sehr bewegt. Gerade die ersten zwei Wochen der neuen Einschränkungen waren für die Unternehmen schwierig, auch mental. Die Gespräche mit den Betroffenen haben Michael Beckmann auch persönlich mitgenommen. Nach und nach setzte jedoch ein Wandel ein. „Viele haben sich überlegt: Was kann ich tun, um aus dieser Situation das Beste zu machen?“

Mit der Zeit begannen die Betriebe sehr kreativ mit den Einschränkungen umzugehen. Michael Beckmann erinnert sich: „Die Winterberg Touristik hat sehr früh angefangen zusammen mit den Unternehmen und Betrieben auf das Thema Zuversicht zu setzen.“ Die Vernetzung unter den Betrieben und Unternehmen nahm zu, Nachbarschaftshilfen sprossen über Nacht aus dem Boden, Lieferdienste wurden angeboten – eine Zuversicht setzte ein, dass es auch eine Zeit nach Corona geben wird. Dieser Wille und die Kreativität haben Michael Beckmann sehr beeindruckt.

Digitalisierung als Chance

Doch gibt es etwas, das der Tourismus als Chance mit aus dieser Zeit nehmen kann? Michael Beckmann hat eine Vermutung. „Der Trend zur Digitalisierung erhält aktuell eine unheimliche Dynamik. Wie kann man Geschäftsprozesse digitalisieren und optimieren, um am Ende noch mehr für den Gast da zu sein?“ Oft laufen die Dinge gut so wie sie sind, etwas Neues scheint nicht notwendig. Doch Corona hat vieles verändert. Man muss und will online präsent sein – und genau da sieht Michael Beckmann eine Chance, die der Tourismus aus dieser Zeit mitnehmen kann.

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