Noch vor wenigen Jahren wusste Sabri Khudida nicht, was eine duale Ausbildung ist. Der 23-Jährige flüchtete 2016 mit seiner Familie vor der Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS), die in seinem Heimatland Irak für einen verheerenden Bürgerkrieg sorgte. Nach einer Odyssee durch die Aufnahmeeinrichtungen in München, Berlin und Köln ist die Familie in Bad Sassendorf gelandet. Hier konnte Sabri zunächst seinen Hauptschul- und direkt im Anschluss seinen Realschulabschluss machen.
Text: Matthias Koprek Fotos: Matthias Koprek
Bei einem Tag der offenen Tür für Schüler und Eltern lernte Sabri 2018 zum ersten Mal das Unternehmen Ohrmann Montagetechnik in Möhnesee-Wippringsen kennen. „Ich war fasziniert von den großen Maschinen, die hier gebaut werden“, sagt er. Noch am selben Tag vereinbarte Sabri ein Praktikum, um wenig später zwei Wochen lang in den Familienbetrieb und den Ausbildungsberuf des Industriemechanikers hinein zu schnuppern.
„Die Ankunft in Deutschland war für mich voller Überraschungen. Im Irak sind die Schule und die Ausbildung komplett anders. Als ich angekommen bin, habe ich mich bei der Agentur für Arbeit über Berufe informiert. Für mich war das wie ein Traum, als ich gemerkt habe, dass mir hier in Deutschland alle Möglichkeiten offenstehen und ich mir aussuchen kann, was ich beruflich machen möchte.“ Die Ausbildung zum Industriemechaniker hat bei Ohrmann eine lange Tradition. Bereits 1990 – und damit nur drei Jahre nach Unternehmensgründung – begann hier der erste Lehrling, wie man damals noch sagte. Der Lehrling von damals arbeitet noch heute in dem Betrieb, der Maschinen für komplexe Montageaufgaben in die ganze Welt verkauft. Angefangen hat 1986 alles mit der Frage, wie man Dichtungen automatisch in Wasserhähne montieren kann. Sabris Einstieg in die duale Ausbildung gelang über ein Einstiegsqualifizierungsjahr, das ihm die Gelegenheit gab, seine sprachlichen Defizite wettzumachen. Dieses Jahr verbrachte er gemeinsam mit den anderen Auszubildenden im Betrieb und besuchte als Gast bereits die Berufsschule. So konnte er sich in Ruhe mit den Begrifflichkeiten vertraut machen, die in keinem Deutschkurs gelehrt werden. „In diesem Jahr konnten alle Seiten ihre Bedenken ausräumen – ganz ohne Leistungsdruck“, sagt Tanja Beringer aus der Personalabteilung. „Uns war schnell klar, dass das klappt und wir nach dem Jahr mit der Ausbildung durchstarten können.“
Mittlerweile hat Sabri den ersten Teil der Abschlussprüfung absolviert. Das heißt auch, dass er zunehmend in komplexe Bauprojekte eingebunden wird und verantwortungsvolle Aufgaben an Kundenprojekten übernimmt. „Seit meiner Prüfung werde ich im Standardbereich eingesetzt, wo halbautomatisierte Stationen für kleinere Maschinen gebaut werden“, sagt der Azubi. In den ersten eineinhalb Jahren wurden ihm die Berufsgrundlagen beigebracht. Dazu gehören der Umgang mit handgeführten Werkzeugen und das Maschinenarbeiten. Die Auszubildenden lernen bohren, feilen, drehen, fräsen. „Natürlich üben sie erst einmal an Lehrprojekten. Sie werden dann allerdings schnell in den Produktionsprozess mit einbezogen, indem sie reale Bauteile fertigen, die später in Maschinen verbaut werden“, erklärt Ausbilder Ralf Hottmann. „Für mich ist das nicht nur Arbeit, sondern auch mein Hobby“, erzählt Sabri. Schon im Irak hat er Fahrräder und Haushaltsgeräte repariert. „Ich habe defekte Geräte immer auseinandergebaut, weil ich wissen wollte, wie die von innen aussehen und funktionieren. Im Praktikum habe ich gesehen, dass bei Ohrmann richtig große Maschinen gebaut werden, was mich fasziniert hat.“
Erstmals weibliche Azubis zur Industriemechanikerin
Und so ist die praktische Arbeit mit Werkzeugen und an den Maschinen weiterhin Sabris Lieblingsaufgabe. Am Computer hingegen sitzt er eher ungern. „Es ist einfach toll zu sehen, was man am Ende des Tages mit seinen Händen geschafft hat“, sagt er. Auch wenn bis zum Ausbildungsende noch einige Handgriffe getätigt und Prüfungen absolviert werden müssen, stehen die Übernahmechancen für Sabri gut. Ohrmann möchte seine eigenen Fachkräfte ausbilden und behalten. Neben der Integration von Jugendlichen mit Migrationserfahrung ist es den beiden Gesellschafterinnen ein großes Anliegen, auch Mädchen für Technik zu begeistern. Seit dem Sommer 2021 gibt es erstmals zwei weibliche Auszubildende zur Industriemechanikerin im Betrieb. Nach Abschluss der Ausbildung freut sich Sabri vor allem auf die Montageeinsätze im Ausland. Denn als Industriemechaniker ist er auch dafür verantwortlich, die fertigen Maschinen beim Kunden zu montieren. „Das ist wieder etwas Neues für mich und das finde ich sehr spannend“, sagt er motiviert. Seit einem Jahr lebt Sabri in seiner eigenen Wohnung in Möhnesee und ist in seiner neuen Heimat längst bestens integriert.
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